Eine Woche Segeln – das hieß es wieder zur 11er Kursfahrt. Wir setzten die vier Segel des Flachbodenschiffes „Sterrenwind“. In den Niederlanden gibt es mit dem IJsselmeer einen künstlichen See, der etwa doppelt so groß ist wie der Spreewald. Um unabhängig von Ebbe und Flut zu sein und ein großes Trinkwasserreservoir zu haben, wurde vor etwa 100 Jahren ein langer Deich zwischen dem IJsselmeer und dem Wattenmeer, also der Nordsee, gebaut.
Da das Wasser nur durchschnittlich 4,6 m tief ist, fahren hier nur kleine Segelboote und Flachbodenschiffe. Unser Schiff wurde 1909 zum Transport von Holz und Kohle gebaut. „Sterrenwind“ heißt so viel wie Sternenwind – also der Sonnenwind aus geladenen Teilchen, wie er von Sternen ausgestoßen wird. Diese Schiffe erkennt man gut an den beiden Schwertern Backbord und Steuerbord statt eines tiefen Kiels. Viele ehemalige Flachbodenschiffe werden heute für Segeltörns genutzt.
Diese Boote sehen nicht nur toll aus, sondern bieten mit ihren 2-Bett- und 4-Bett-Kajüten Platz für uns: 10 Mädchen, 14 Jungen, 2 Lehrkräfte, 1 Kapitän und 1 Matrose. Und oben auf dem Deck ist viel Platz zum Sitzen – und auf dem Dach zum Liegen.
Das Segelschiff besitzt vier Segel, die wir je nach Manöver hissten oder wieder bargen. Wir wissen nun, was Bernoulli im Zusammenspiel von Fock und Großsegel bewirkt – und wann das Klüversegel vorn und das Besansegel hinten zu setzen sind. Für Flaute und Kanäle gibt es dann noch einen Dieselmotor.
Der Kapitän und der Matrose entschieden je nach Wind, welches Städtchen wir anfahren. So fuhren wir nach Enkhuizen, Makkum und Medemblik. Mit alten Festungsanlagen, Zugbrücken, Cafés und kleinen Lädchen sind diese Orte wirklich sehenswert. Uns verblüffte, dass die Häuser nicht nur sehr schön, sondern auch ganz ohne Gardinen waren. Da die Häuser oft sehr klein sind, besitzen viele am Giebel eine Rolle, um auch mal ein Klavier in das obere Geschoss zu bugsieren. In den Innenstädten gibt es viele Grachten, weshalb es immer etwas zu fotografieren gab und das Klima angenehm blieb.
In den Häfen füllten wir unsere Vorräte auf. Täglich war eine andere Gruppe für das Essen verantwortlich – mal vegan, mal vegetarisch oder auch mit Fleisch. Diese Gruppe meisterte dann auch das Abwaschen und Reinigen. Unsere Flaschen beschrifteten wir mit unseren Namen, um den Überblick zu behalten. Die Pfandflaschen gaben wir beim nächsten Landgang ab – und auch die erstaunlich großen Mengen an Müll brachten wir weg. Die Häfen sind sehr gut auf Segeltörns eingestellt, sodass Duschen und Toiletten immer in der Nähe waren.
Wir hatten zwar alles an Bord, wollten aber mit unseren Trinkwasserreserven haushalten. Jede Kajüte hatte Warm- und Kaltwasser. Wir hatten auch Bullaugen, die wir während der Fahrt aber schließen sollten, wenn wir kein Wasserbett durch Spritzwasser riskieren wollten.
Innen hatten wir einen geräumigen Aufenthaltsraum mit vier Tischen, einer offenen Küche, mehreren Kühlschränken und vielen Schränken für Kartoffeln, Brötchen, Müsli und Nudeln. Hier konnten wir lesen, zeichnen oder spielen – aber da das Wetter so schön war, waren die meisten von uns draußen. Dort spielten wir Werwölfe, hörten Musik und sangen bei ABBA sogar mit – besonders zu einem 17. Geburtstag um Mitternacht.
Gleich am ersten Tag war der Wind recht stark und die Wellen hoch. Um nicht seekrank zu werden, waren einige an Deck, während andere einfach tief und fest schliefen – was gut ging, da wir mit dem Bus die Nacht durchgefahren waren.
An einem Tag mit weniger Wind sind wir ganz gemütlich vorangekommen. Dann durften auch wir das große Steuerrad drehen – immer den Kompass und einen Punkt am fernen Ufer im Blick. Sobald das Schiff den Bug nach Backbord oder Steuerbord drehte, konnte man sofort gegensteuern. Das machte großen Spaß! Wir fuhren durch einen Windpark zwischen den 120 m hohen Masten und fanden durch Überschlagsrechnung heraus, dass die Rotorspitzen fast 200 km/h schnell sind. Wir waren erstaunt, wie leise sie sich drehen.
Danach warfen wir den Anker, um zu baden – am Bug reinspringen, an Backbord an der Leiter wieder aufs Deck. Trotz der beiden Zuflüsse Geldersche IJssel und Zwarte Water war das Wasser leicht salzig. Baden konnten wir dann nochmals, als wir am letzten Tag an der Insel Aanmmeer eiland op Fluessen festmachten. Dort grillten wir dann auch und machten bei schönstem Sonnenuntergang noch viele Gruppenfotos.
Unseren Hafen in Lemmer erreichten wir nach einer Fahrt durch Kanäle und Schleusen. In der Zwischenzeit machten wir „klar Schiff“ – und unser Busfahrer stand schon bereit. Die Rücktour war wegen einiger Staus dann doch länger. Wir legten eine Essenspause bei einer bekannten Restaurant-Kette ein und später eine kürzere Pause mit Tanzeinlage, um den Körper wieder fit zu bekommen. Wie auch auf der Hinfahrt hatten wir Regen – den wir auf dem Schiff zum Glück nur einmal erlebt haben.
Der Segeltörn hat uns allen gefallen und hätte ruhig noch länger sein können. Es gibt noch so viele Hafenstädtchen und Inseln zu erkunden, Segelbegriffe und Knoten kennenzulernen.
Martin Wähmer