Festrede zum Jahrestag des Max-Steenbeck-Gymnasiums

von Henry Greulich

Stellen sie sich vor, Sie wären für ein Formel-1-Rennen verantwortlich.

Wen brauchen wir für ein solches Rennen?

Für dieses Formel-1-Rennen brauchen wir in erster Linie ein gut zusammenarbeitendes Team. Ein Team aus den verschiedensten Menschen und Talenten:

  • Da sind zum einem die Renn-Ingenieure, die Techniker und der Team-Chef.
  • Dann die Menschen, die für die Infrastruktur und die Rennstrecke verantwortlich sind.
  • Die Rennfahrer an sich.
  • Eine Truppe für Sponsoring und Instandhaltung.
  • Und nicht zuletzt die Fans, moralischen Unterstützer und Mutmacher.

Und genau solch ein Team hat in den vergangenen 15 Jahren hervorragende Arbeit geleistet und beeindruckende Erfolge errungen. Dieses Team heißt Max-Steenbeck-Gymnasium:

  • Die Lehrer sind eine Mannschaft aus Renn-Ingenieuren, Technikern und dem Team-Chef.
  • Die Stadt Cottbus und unsere Politiker in Brandenburg stellen die Infrastruktur und Rennstrecke zur Verfügung.
  • Die Schüler sind die Rennfahrer, die erst trainieren und dann mit Vollgas ins Leben loslegen.
  • Der Förderverein hilft bei der Instandhaltung und beim Sponsoring.
  • Und unsere Eltern und Freunde sind unsere Fans, feuern an und unterstützen die jungen Fahrer, damit sie bei diesem Rennen die Nase vorn haben.

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
liebe Eltern,
liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr verehrte Gäste!

Mein Name ist Henry Greulich. Ich bin einer der ersten 36 Rennfahrer, die diese Schule absolviert haben. Und ich habe heute die Ehre, diesem Team meine herzlichsten Glückwünsche auszusprechen.

Angefangen hat alles vor 15 Jahren als nach langem Ringen am 1. September 1989 die Spezialschule mathematisch-naturwissenschaftlich-technischer Richtung „Max Steenbeck“ gegründet wurde. Wir hatten zwei 9. Klassen mit jeweils 18 Schülern und einem knappen Dutzend Lehrer.

Noch ohne eigenes Gebäude und Rennstrecke waren wir damals für ein halbes Jahr Gast an der ehemaligen 1. Erweiterten Oberschule in der Drebkauer Straße. Dann wurde die ehemalige 18. Oberschule in der Elisabeth-Wolf-Straße nach den Vorstellungen des ersten Direktors und Teamchefs, Herrn Standke, in Zusammenarbeit mit seinem Stellvertreter und heutigem Teamchef, Herrn Dr. Rösiger, und dem gesamten Kollegium – umgebaut und eingerichtet.

Im Laufe der Jahre hat sich die Schule verändert:

Nach der gesellschaftlichen Wende sollte die Schule als so genannte "Eliteschule" zunächst abgeschafft werden. Der aktive Protest der Eltern-, Lehrer- und Schülerschaft und ein überzeugendes Schulkonzept sicherten das Überleben. Es folgte der schrittweise Aufbau eines dreizügigen Gymnasiums unter der Trägerschaft der Stadt Cottbus und die weitere Profilierung. Heute als Spezialgymnasium mit einer erweiterten mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Ausbildung konzipiert, werden - aufgrund besonderer Organisationsformen - den Schülerinnen und Schülern geeignete Entfaltungsmöglichkeiten geboten.


Meine Damen und Herren!

Warum sind wir eigentlich in einem Formel 1-Rennen und nicht nur bei einem gemütlichen Fahrertraining?

Die Halbwertszeit unseres Wissens verkürzt sich ständig. Und am Besten können das Sie, liebe Lehrer, bestätigen. Sie müssen mit den immer weiter wachsenden Ansprüchen der Schüler und der Gesellschaft Schritt halten:

  • Vor 5 Jahren hat es noch gereicht vom Internet gehört zu haben - heute muss ein Schüler in der Lage sein, es aktiv einzusetzen.
  • Bei den Sprachen sieht es ähnlich aus. Englisch ist heute keine besondere Fähigkeit mehr - sondern Grundvoraussetzung, sich in der immer weiter zusammenwachsenden Welt orientieren zu können.
  • Und nicht zuletzt das Fach Geschichte. Über die nationale Historie Bescheid zu wissen ist eine Sache. Aber schließlich ist Europa weiter zusammengewachsen
  • und damit haben wir auch Verantwortung unseren Nachbarn in Europa
  • und deren Geschichte gegenüber.


Jeder, der vorn mitmischen möchte, muss mit diesem Tempo Schritt halten. Und je früher wir mit einer intensiven Ausbildung anfangen, desto leichter fällt es uns.

Ich bin im Jahr 1989, mit 14 Jahren, nach Cottbus gekommen und lebte während der Woche hier im Wohnheim. Nach dem Abitur begann ich mein Studium des Wirtschaftingenieurwesens hier in Cottbus und bekam bald Fernweh. Ich habe in Schweden mein Diplom in Produktionsmanagement und Logistik gemacht und bin nach dem Zivildienst zur KPMG Unternehmensberatung nach München gegangen. Während meiner Tätigkeit als Unternehmensberater war ich für drei Jahre in den USA und habe dort auch gelernt, wie anders andere Kulturen wirklich sind.

Seit Januar mache ich mein Wirtschaftsdiplom an der INSEAD in Frankreich. Die INSEAD ist eine der 5 besten Wirtschaftsuniversitäten der Welt. Wer es dorthin schafft, wird in 10 Monaten Intensivprogramm mit Studenten aus 50 anderen Ländern zu dem ausgebildet, was gemeinhin als Elitenachwuchs bezeichnet wird. Hierfür müssen 43.000 EUR Studiengebühr bezahlt werden. Und man mag es nicht glauben aber es ist verdammt schwer dort einen Studienplatz zu bekommen und die Investition rentiert sich innerhalb weniger Jahre.


Warum erzähle ich das alles?

Um Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, ein bisschen zu inspirieren und Euch zu zeigen, was wirklich möglich ist, wenn Ihr dieses Rennen fahrt.

Zum einen sind da die Aufgaben in Mathe, Physik oder Chemie. Und der eine oder andere von Euch wird sich fragen – ich will ja nicht Naturwissenschaftler werden – warum das also?
Was man hier am Steenbeck Gymnasium in Wirklichkeit lernt, ist, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, Probleme auf systematische Art und Weise zu lösen. Das ist nicht einfach und ich habe früher auch gestöhnt, wenn Herr Dr. Rösiger oder Dr. Skorubski mir mit ihren Kurzkontrollen den Schweiß auf die Stirn getrieben haben. Aber dieses Lösen von kniffligen Problemen ist eine Fähigkeit, welche nicht viele Menschen Gelegenheit haben zu erlernen. Eine Fähigkeit, die Euch ein Leben lang wertvoll sein wird.

Und dann sind da noch die Fächer, wie Kunst, Geschichte oder Geografie, die nun wirklich keiner mehr nach der Schule braucht, oder?
Falsch!

Wenn Ihr vielleicht das erste Mal einen Brasilianer trefft und Euch mit ihm über den Regenwald unterhaltet, wenn Ihr das erste Mal einen Inder von der Britischen Kolonialzeit reden hört oder wenn Ihr das erste Mal vor einem 4 m hohem Salvador Dali-Originalgemälde in Florida steht, dann wisst Ihr, warum jede Anstrengung im Unterricht ihre Mühe und Arbeit wert war. Und warum die Lehrer am Ende vielleicht doch recht hatten.


Glückwünsche überbringe ich auch an unsere Mannschaft aus Renn-Ingenieuren, Technikern und dem Team-Chef. Ich denke, Sie, liebe Lehrer, haben häufig die schwerste Rolle. Nicht nur, dass sie immer wieder die undankbaren Blicke der Schüler über sich ergehen lassen müssen.

Nein! Sondern weil das, was Sie hier am Max-Steenbeck-Gymnasium bewegen, mehr verlangt als eine reguläre Arbeitswoche. Ohne die Liebe zum Beruf und diesen Extra-Einsatz wäre das Max-Steenbeck-Gymnasium heute lange nicht das, was es jetzt ist.

Das ging vor 15 Jahren los, als sich die Lehrer zusammen mit den Eltern zum Schularbeitseinsatz am Wochenende getroffen haben – gestrichen, Fenster geputzt und noch viele andere Arbeiten erledigt haben, die überhaupt nicht in ihrem Arbeitsvertrag standen.

Doch irgendetwas haben sie, liebe Lehrer, richtig gemacht, denn einen interessanten Lebensweg nach der Schule haben auch andere Klassenkameraden aus dem ersten Jahrgang auf ihre Art beschritten:
 

  • Einer von ihnen arbeitet jetzt für Infineon und vermarktet die neuesten Halbleiter- Bauelemente unter anderem in Taiwan und Korea.
  • Ein anderer leitete als Architekt den Aufbau des Biotechnologie-Forschungszentrum eines führenden Pharmazie-Konzerns.
  • Andere arbeiten im Management oder in der Entwicklung bei Daimler Chrysler, SAP, IBM, Züblin oder dem Dresdner Gericht.
  • Und viele haben sich auch selbständig gemacht, sind jetzt Designer, Apotheker und Unternehmer geworden.


Jeder auf seine Art, aber jeder, mit dem ich Kontakt halten konnte, steht mit beiden Beinen fest im Leben.

Der Erfolg dieser Schule ist in erster Linie Ihnen, den Lehrern, zu verdanken. Und die Erfolge können sich sehen lassen. Wir haben Bundessieger bei Jugend Forscht. Wir haben mehrere Gold-, Silber- und Bronzemedaillen bei den Internationalen Olympiaden für Physik, Chemie, Mathematik, Informatik und Biologie errungen. Und bei aller Bescheidenheit zählt damit das Max-Steenbeck-Gymnasium zu den erfolgreichsten Schulen der Bundesrepublik Deutschland.


Nicht zu unterschätzen sind aber auch unsere Eltern – unsere treuesten Fans, Mutmacher und moralischen Unterstützer. Ein besonderes Dankeschön an Sie, liebe Eltern, heute Abend. Ohne sie hätten wir schon häufig die Flinte ins Korn geworfen. Vieles, was wir so selbstverständlich als Hilfe hinnehmen, ist bei einem zweiten Blick gar nicht mehr so selbstverständlich.

Bedanken möchte ich mich bei unserer Mannschaft für die Infrastruktur. Es ist ganz und gar nicht einfach, eine hochwertige Rennstrecke zur Verfügung zu stellen. Unsere Abgeordneten und Politiker der Stadt Cottbus und des Landes Brandenburg haben – für uns häufig unsichtbar – viele Hebel bewegt, damit unsere Schule heute wieder ein Spezialgymnasium mit einer erweiterten mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Ausbildung sein kann.

Und dann sind da auch noch die Sponsoren. Unser Förderverein wurde 1991 gegründet. Er zählt heute mehr als 230 Mitglieder. Immer wieder hat er ausgeholfen, wenn bestimmte Materialien gebraucht wurden, um den Unterricht noch greifbarer zu gestalten – von der Landkarte bis zum Computerkabinett.

Mit einer Spende an den Förderverein können Sie, liebe Eltern und sehr geehrten Gäste, dazu beitragen, das hohe Niveau an unserem Gymnasium zu erhalten. Der Jahresbeitrag beträgt 40 Euro oder, anders gesagt, weniger als einen Euro pro Woche. Weitere Informationen finden Sie am Eingang des Konservatoriums und auf den Internet-Seiten des Max-Steenbeck-Gymnasiums.


Meine Damen und Herren,
Ich habe jetzt über alle jene gesprochen, die unser anfangs vorgestelltes Team so erfolgreich machen:

 

  • die Rennfahrer,
  • die Renn-Ingenieure, Techniker und den Team-Chef,
  • die Infrastruktur-Mannschaft,
  • die Sponsoren und Instandhaltung
  • und die Fans.


Nicht weniger wichtig für den Erfolg ist aber auch das Quäntchen Glück, sowohl bei der Formel 1 als auch hier in Cottbus und im wirklichen Leben. Und ganz besonders dieses Quäntchen Glück wünsche ich allen heute Abend hier Anwesenden, und dass das Max-Steenbeck-Gymnasium weiterhin auf Erfolgskurs bleiben möge.

Vielen Dank.

 

© 2004 by Henry Greulich


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